Montag, 23. März 2015

Die Extras

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Ich arbeite in Paris, Bordeaux, Berlin oder Köln, kurz: überall dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und (passiv) Englisch. Heute: Wo­chen­end­rückb­lick.

Freitags um eins macht jeder seins, den Spruch kenne ich am ehesten aus dem Osten Deutschlands, wo sich das Gros der Bevölkerung an Wochenenden und im Urlaub deutlicher von den Pflichtveranstaltungen des Arbeits- und Aus­bil­dungs­le­bens abgesetzt hat, als es in der westdeutschen Republik der Fall war.

Freitag um eins, kurz vorm Verlassen des Büros, fiel einem unserer Kunden ein, dass da noch eine Vorlage zu Montag zu übersetzen sein müsste, schaute im di­gi­ta­len Ordner nach und wurde fündig. Wenig später war klar, dass der obenstehende Satz häufig nicht für Freiberufler gilt. Und das ist jetzt keine Beschwerde, sondern lediglich eine Feststellung. Wer hier aus den Reihen der Schüler und Studenten mit­liest: Freiberuflichkeit bedeutet, oft unkonventionelle Arbeitszeiten zu haben. Und dann zählt auch nicht, dass der Geburtstag der besten Freundin oder ein Well­ness­wo­chen­en­de auf dem brandenburgischen Schloss auf dem Programm gestanden hatte.

Noch ein Kunde meldete sich kurz vor eins: Der Veranstalter einer zweitägigen Schu­lung, die im Juni in einer deutschen Stadt stattfinden soll. Er bat mich, für zwei Sprachen das auf das Fachthema am besten spezialisierte Kabinenpersonal zu finden, dann geriet er ins Stottern. Ich hakte nach. Leider, meinte er, müssten wir mit etwa 2/3 von dem auskommen, was in den Vorjahren an Honoraren dafür geflossen war.

Dolmetschpult auf Sendung
Vorsichtig frage ich nach den Hintergründen. Mein Kunde berichtet, dass es daran läge, dass die Dolmetscherkabinen so exorbitant teuer geworden seien. Ich bitte um Details und erfahre, dass ein re­nom­mier­tes Hotel meinem Kun­den angeboten hat, ihm nicht nur die hoteleigenen Kon­gress­räu­me zu vermieten, sondern auch die Technik zu stel­len.

Für diese Extra-Dienstleistung wollte sich nun das vielsternige Be­her­ber­gungs­un­ter­neh­men einen Aufschlag von 100 % der Kosten von Kabinen und Funkstrecke mit Endgeräten genehmigen. Leider erlebe ich so etwas nicht zum ersten Mal.

Daraufhin habe ich dann die mir bekannten Preise aufgezählt und Kon­fe­renz­tech­nik­an­bie­ter empfohlen, die vor Ort ansässig sind. Das Ergebnis: Mein Kunde strich das Angebot des Hotels zusammen, kümmert sich nun selbst um die Kabinen und schlägt uns heute dann per Mail vor, nach vielen Jahren Zusammenarbeit bei un­ver­än­derter Vergütung doch mal wieder die Honorare zu erhöhen. Was für ein schöner Wo­chen­an­fang!

______________________________
Foto: C.E.

Keine Kommentare: