Mittwoch, 3. September 2014

Feuerwehr

Herzlich Will­kom­men! Sie le­sen im Ar­beits­ta­ge­buch ei­ner Dol­met­scher­in. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Fran­zö­sisch und Eng­lisch (pas­siv).

Fortbildung dolmetschen
Manchmal bin ich eine Feuerwehrfrau. Aber nicht die Frau des Feu­er­wehr­man­nes, ich lösche eigenhändig. Im über­tra­gen­en Sin­ne. Das fiel mir gerade bei Ho­no­rar­ver­hand­lun­gen wieder ein. Drei Rückblicke.

Eins. Es war einmal ein namhafter Sender. Er suchte für eine Pressekonferenz eine Dolmetscherin. Das Ereignis ist eine Weile her, ich war noch nicht lange auf dem Markt für solche Ereignisse. Auch ich durfte ein Angebot schreiben, es gab eine Absage ('nicht unser Preis'). Da ich damals noch ein Bein in der Filmproduktion hatte und der von mir mitproduzierte Film am Rande auch vorgestellt werden sollte, saß ich im Publikum.

Die eigens aus Hannover angereiste Sprachkundige hat sicher ihre Stärken in der englischen und spanischen Sprache. Französisch war nicht ihr Ding. Sie übertrug Dinge, die gar nicht gesagt worden waren, jeder zweite Satz war falsch, entstellt oder hinzugedichtet. Im Publikum saßen auch die französischen Korrespondenten. Der Saal wurde unruhig. Nach 15 Minuten wurde auf Englisch weitergemacht. Inzwischen arbeite ich regelmäßig für den Sender — zu guten Preisen.

Zwei. Ein berühmter Herrenschneider kam nach Berlin. Wir hatten uns zur Ver­dol­met­schung von zwei Tagen Interview beworben, die Absage lautete: "Wir hätten gerne einen Mann." Am Abend des ersten Tages kam ein kleinlauter Anruf: "Können Sie kommen?" Der Satz war noch drastischer: "Wir haben hier ein Monster, wir brauchen einen Drachen."

Der (junge) Mann hatte wohl noch nicht genug Berufserfahrung sammeln können und war sogar noch vor Ende der Interviewserie durchgebrannt. Ich gab den Dra­chen, ver­ton­te einen sehr friedfertigen, älteren Herren und hatte sogar noch einen Eil­zu­schlag anbringen können.

Drei. Ein Festival j.w.d. buchte mich als dolmetschende Moderatorin und mo­de­rie­re­nde Dolmetscherin. Aufgrund veränderter Reisepläne von Gästen entstand ein Moment im Spiel­plan, bei dem ich mich wegen einer kleinen Überschneidung hätte zweiteilen müs­sen. In der kleinen Stadt schien es einfacher, eine festivalfremde Sprach­mitt­ler­in zu finden als eine weitere Moderatorin. Ich beendete mein Pub­li­kums­ge­spräch und eilte in den anderen Saal, um nachzusehen, was geschehen war.

Schon vor der Tür raunte mir ein Produzent aus München zu, für den ich seit Jah­ren übersetze, dass ich rechtzeitig käme. Gut sichtbar nahm ich vorne in der ers­ten Reihe Platz. Die Kollegin brachte fünf ausdifferenzierte, ziselierte fran­zö­si­sche Satz­konstrukte in einem kargen deutschen Hauptsatz unter. Der Moderator und Fes­­ti­­val­­lei­ter nickte mir zu. Ich stand auf und setzte mich auf einen Stuhl auf der Bühne, der zufällig noch leer war. Der Moderator war brillant und sagte: "Dol­met­schen ist eine hochkomplexe Sache, daher machen das in der Regel immer zwei. Hier kommt die Verstärkung!"

Ich bin froh, dass die Kollegin ihr Gesicht wahren konnte. Sie sprach nachher von "Blackout". Die Wand von Gesichtern in einem vollen, großen Kinosaal ist sicher gewöhnungsbedürftig.

Ach, und dann gab es noch dieses kleine Festival, wo gar kein Dolmetscher vor Ort war, und ich einspringen musste (was bedauert werden kann, denn dieses Ver­ges­sen scheint System zu haben). (Nicht wahr, Volker Kufahl, Patricia Bauermeister, Ulrich Schreibern, Régis Présent-Griot?)

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Portrait C. Elias: Merci à David Perrin, Marseille 

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